Retrospektiven – In 10 Minuten erklärt!

In Zeiten des täglichen Wandels und fortschreitender Digitalisierung sollten Unternehmen ihre alten Prozesse nicht einfach beibehalten, auch wenn sie sich über viele Jahre bewährt haben. Stattdessen ist es ratsam, das Alte stets zu reflektieren und durch Veränderungen flexibel auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren. Damit können Unternehmen dem sogenannten Kaizen (Wandel zum Besseren) folgen.

Eine Denkweise, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur Arbeitsphilosophie entwickelte, und vor allem durch den Erfolg der Firma Toyota weltweit an Aufmerksamkeit gewann. Kaizen bedeutet das Streben nach ständiger Veränderung und Verbesserung. Jeder Mitarbeiter sollte sich bewusst sein, dass nichts perfekt ist und ständig verändert und verbessert werden muss – auch wenn es nur Kleinigkeiten sind.

Heutzutage arbeiten fast alle Automobilhersteller der Welt nach diesem Prinzip und es hat viele weitere Arbeitsmethoden und Abläufe branchenübergreifend beeinflusst. So zum Beispiel auch die Softwareindustrie, in der sich seit Mitte der 90er Jahre leichtgewichtige, agile Vorgehensmodelle wie Scrum etabliert haben und Ihrerseits heutzutage branchenübergreifend Arbeitsweisen verändern und beeinflussen.

Die Retrospektive beschreibt in Scrum ein Meeting zur Reflexion des Status Quo unter der Berücksichtigung von drei verschiedenen Perspektiven, die der Prozesse, der Zusammenarbeit und des Produktes, um kontinuierlich zu lernen und sich zu verbessern. Damit ist die Retrospektive DAS Instrument erfolgreicher Unternehmen von heute.

Die Retrospektive

Sie ist ein regelmäßig stattfindender Termin und hat die Aufgabe die Qualität und Effektivität der Prozesse und die Zusammenarbeit im Team zu verbessern, indem die letzte Iteration analysiert wird. In diesem Zusammenhang wird reflektiert, was in dieser Zeit gut funktioniert hat und an welchen Stellen weitere Verbesserungspotenziale bestehen. Für letztere erarbeitet das Team während des Termins, mögliche Lösungsansätze, die dann in der nächsten Iteration umgesetzt werden sollen.

Dieser Blick auf die Vergangenheit bildet immer den Abschluss der aktuellen Iteration und findet somit in Abhängigkeit von deren Länge in einem Rhythmus von einer bis vier Wochen statt. Die Dauer des Termins kann variieren und ist auch davon abhängig wie viel Zeit das Team sinnvoll einzubringen bereit ist. Allgemein findet sich jedoch die Empfehlung eine Stunde pro Iterationswoche anzusetzen, wobei zusätzlich drei Stunden als Obergrenze sinnvoll erscheinen.

Darüber hinaus nehmen alle Mitglieder eines Teams an der Retrospektive teil. Nach Möglichkeit kommen sie in einem „geschützten Raum“ Raum zusammen, sodass eine psychologische Sicherheit, wie sie von Amy Edmondson beschrieben wird gewährleistet werden kann. Kurz zusammengefasst ist damit gemeint, dass sich alle Teilnehmer ausreichend sicher fühlen, um „unangenehme Wahrheiten“ auszusprechen, Fehler einzugestehen und untereinander Verletzlichkeit und Unsicherheiten zu zeigen. Geleitet wird eine Retrospektive von einem Moderator, der vom Team bestimmt wird. Im Falle von Scrum übernimmt in der Regel der Scrum Master diese Rolle. Der Moderator führt die Teilnehmer durch die Retrospektive und stellt dabei eine unparteiische Person dar, die nie ihre eigene Meinung einbringt. Er sorgt für die Gesprächsführung und ausgeglichene Wortbeiträge. Auch gibt er Zeitvorgaben für die Aufgaben und achtet auf deren Einhaltung.

Der genaue Ablauf einer Retrospektive lässt sich im Detail in die fünf Phasen Set the stageGather DataGenerate InsightsDecide What to do und Closing nach Derby und Larsen einteilen. Hierbei ist es wichtig, dass keine dieser Phasen übersprungen oder ausgelassen wird, da jede eine spezielle Aufgabe erfüllt und die Qualität der Ergebnisse sonst gemindert wird.

Phase 1: Set the stage

In der ersten Phase Set the stage geht es darum die Retrospektive einerseits einzuleiten und andererseits eine Atmosphäre zu erzeugen, in der jeder Teilnehmer gewillt ist mitzuarbeiten. Um dies zu erreichen, wird meist mit einer einfachen Frage gestartet, auf die dann alle Teammitglieder kurz antworten sollen. Hierbei ist es ausschlaggebend, dass wirklich jedes Mitglied zu Wort kommt und etwas sagt, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Person im weiteren Verlauf beteiligt, steigt dadurch erheblich an.

Darüber hinaus wird in dieser Phase in der Regel das Ziel des Termins nochmal in Erinnerung gerufen und es wird kurz auf den geplanten Ablauf eingegangen. Dies hat zum Ziel, dass alle Teilnehmer darüber Bescheid wissen, was sie während des Termins erwartet und das Gefühl vermittelt bekommen, dass dieser für sie wichtig ist. Gegebenenfalls wird auch noch darauf hingewiesen, dass es von den Teilnehmern gewünscht ist während der Retrospektive auch sensible oder kontroverse Themen in Bezug aufs Team anzusprechen.

Des weiteren wird vor allem in den ersten Retrospektiven zu Beginn eine gemeinsame Arbeitsvereinbarung formuliert. Diese definiert, welche Regeln während der Retrospektive gelten und kann somit Übereinkünfte wie zum Beispiel, dass „jeder sich einbringt“ oder dass „alle Telefone während des Termins ausgeschaltet werden“, beinhalten. Trifft das Team diese Vereinbarungen gemeinsam, so fühlt sich jeder diesen verpflichtet und hält sich entsprechend an sie. In späteren Retrospektiven können diese Arbeitsvereinbarungen wiederverwendet werden, wenn sie sich bewährt haben. Dadurch wird für diesen Schritt hauptsächlich in den ersten Retros zusätzliche Zeit benötigt.

Phase 2: Gather Data

Nach der Einleitung wird in der Phase Gather Data ein Überblick über alle Themen erstellt, die während der letzten Iteration gut gelaufen sind oder zu Problemen geführt haben. Dies dient dazu ein gemeinsames Bild für das Team zu erzeugen. Da nicht jeder zwangsweise alle Geschehnisse mitbekommt oder sich an diese erinnert, hätte ansonsten jeder Teilnehmer seine eigene Perspektive, was das Erarbeiten von gemeinsamen Lösungen erschweren würde.

Zu jedem angesprochenen Thema werden dabei nach Möglichkeit aussagekräftige Daten ergänzt. Dies können sowohl erledigte Aufgaben oder stattgefundene Termine als auch Metriken, wie die Anzahl an Ausfällen oder die Menge an refaktorisiertem Code, sein. Aber auch die Resultate der Entscheidungen aus der vorherigen Retrospektive gehören dazu. Neben den harten Fakten können und sollen in dieser Phase darüber hinaus die Gefühle des Teams einen Platz finden. Entsprechend werden zum Teil auch Unstimmigkeiten oder Missverständnisse im Team angesprochen. In jedem Fall wird empfohlen die genannten Punkte zu visualisieren (zum Beispiel in einem Zeitstrahl) und in Clustern zusammenzufassen. Über eine Priorisierung wird dann entschieden, welche Themenkategorien näher betrachtet werden sollen.

Phase 3: Generate Insights

Nachdem sich das Team auf ausgewählte Themenbereiche geeinigt hat, werden diese analysiert, um die Ursachen für die einzelnen Punkte herauszufinden, damit darauf aufbauend in der darauffolgenden Phase konkrete Maßnahmen entwickelt werden können. Dabei geht es zu diesem Zeitpunkt noch nicht darum direkt eine Lösung zu präsentieren, sondern erst einmal gemeinsam die Zusammenhänge zu verstehen, um Probleme bei ihren Ursachen behandeln zu können. Gelingt dies, so wird dadurch sichergestellt, dass die später vorgenommenen Änderungen zu der angestrebten Verbesserung führen.

Phase 4: Decide What to do

Ausgangspunkt der Phase Decide What to do sind die in Phase drei gewonnenen Einblicke in Bezug auf Ursache und Wirkung. Hierbei wird empfohlen, dass sich das Team ein bis zwei von den analysierten Themen aussucht und gemeinsam Verbesserungsmaßnahmen für diese beschließt, welche dann in der kommenden Iteration umsetzten werden sollen. Die Einschränkung auf wenige Elemente hat den Hintergrund, dass sich das Team nicht zu viel auf einmal vornimmt, wodurch die Wahrscheinlichkeit der Realisierung erhöht wird.

Ein Ansatz ist, dass bereits während der Retrospektive erste Entscheidungen in Bezug auf die Umsetzung getroffen werden. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass sich Teilnehmer konkrete Aufgaben vornehmen und sich für diese verantwortlich fühlen. Auch können die Verbesserungsansätze SMART formuliert werden, um eine Verbindlichkeit zu erzeugen. Zusätzlich können die erarbeiteten Maßnahmen auch in das Backlog aufgenommen, sodass sie in der nächsten Iteration gezielt Beachtung finden.

Phase 5: Closing

Im letzten Schritt wird die Retrospektive abgeschlossen. In dieser Phase geht es neben einer kurzen Zusammenfassung des Termins vor allem darum den Prozess der Retrospektive zu reflektieren. Die Teilnehmer werden zum Beispiel danach gefragt mit welchem Gefühl sie aus der Retrospektive gehen, ob sie das Gefühl hatten, dass ihre Zeit gut investiert war oder was beim nächsten Mal verbessert beziehungsweise beibehalten werden sollte. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können vom Leiter der Retrospektive genutzt werden, um den Nutzen der nächsten Termine für das Team zu erhöhen.

Des weiteren wird zum Abschluss darüber entschieden, wie das Team die gewonnenen Erkenntnisse für sich festhalten will. Beispielsweise können die gesammelten Notizen fotografiert oder, falls sie in digitaler Form vorliegen, ausgedruckt werden.

Heute besser werden!

Und nun heißt es selbst aktiv werden! Schauen Sie sich an in welchen Bereichen, Teams, Produkten und/oder Prozessen Retrospektiven Sinn ergeben. Setzen Sie einen Termin an und bereiten eine aufregende Retrospektive vor – zum Beispiel mit Hilfe des Retromaten oder nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf und lassen Sie sich beraten. Wir wünschen Ihnen in jedem Fall viel Erfolg!

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